Die Universität Hohenheim und die Stadt Stuttgart haben gemeinsam mit einer Pflanzaktion zwei Exemplare der alten Obstsorte zurückerobert.
Die Qualitäten des Hohenheimer Rieslingapfels sind nicht auf den ersten Blick erkennbar. Seine Früchte sind klein, sauer und eignen sich hauptsächlich zur Herstellung von Most.
Doch der Genuss spielt hierbei keine entscheidende Rolle. Alte Obstsorten sind eine Möglichkeit, die genetische Vielfalt zu bewahren. Von der Sortenbeschreibung her sind seine Früchte dabei reich tragend und sehr klein.
Der Hohenheimer Rieslingapfel galt als verschollen, bis Hobby-Pomologen einen alten Baum in Altbach am Neckar entdeckten. Jetzt ist er an der Universität Hohenheim in Stuttgart zurückgekehrt, an den Ort, an dem er um 1870 gezüchtet wurde.
Zwei unscheinbare Apfelbäume stehen im Mittelpunkt der Pflanzaktion in den Hohenheimer Gärten: Am 22. November 2023 werden sie südöstlich des Schlosses liebevoll eingepflanzt und von ihren Rettern bejubelt. Denn es handelt sich um besondere Bäume mit einer außergewöhnlichen Geschichte.
„Der Hohenheimer Rieslingapfel wurde vor 150 Jahren an der damaligen Landwirtschaftlichen Akademie Hohenheim gezüchtet“, berichtet Dr. Robert Gliniars, Kustos der Hohenheimer Gärten. „Die Sorte galt als verschollen und es freut uns sehr, dass sie nun zu uns ins Landesarboretum zurückkehrt. Das ist vor allem den talentierten Sortenfahndern und dem Engagement der städtischen Streuobstfachstelle zu verdanken.
Ehrenamtliches Engagement rettet alte Obstsorten
Rudolf Brenkel, Ehrenvorsitzender des Obst- und Gartenbauvereins Altbach, war bereits vor einigen Jahren auf einen ungewöhnlichen alten Baum auf einer Streuobstwiese in Altbach aufmerksam geworden. „Der Großvater der Besitzerin war Baumwart in Hohenheim und offenbar sehr aktiv beim Veredeln“, erzählt Brenkel.
„Über meine Vereinstätigkeit lernte ich Eckart Fritz kennen und zeigte ihm den Baum.“ Der Pomologe und Sortenspezialist erkannte den Rieslingapfel. „Mir war zunächst gar nicht bewusst, dass dies eine kleine Sensation ist“, gibt Brenkel zu. Doch dann kam Lucas Pacholet im Jahr 2019 auf mich zu und machte mir die Bedeutung klar.“
Der Hohenheimer Absolvent und Lehramtsstudent an der Universität Stuttgart teilt Brenkels Begeisterung. In seiner Freizeit kümmert er sich nicht nur um seine eigene Streuobstwiese, sondern sucht auch nach verloren geglaubten Obstsorten. „Die alten Sorten sind oft widerstandsfähiger und weniger anfällig für Krankheiten“, erklärt er. „Außerdem sind sie ein wichtiges Kulturgut mit Geschichte.“
Auch wenn Brenkel heute feststellt, dass es „eine mühsame Arbeit sein dürfte, genügend dieser kleinen Früchte zu ernten“, waren frühere Generationen begeistert vom Hohenheimer Rieslingapfel. Er wurde erstmals 1874 in der „Rheinischen Gartenschrift“ erwähnt und in den „Pomologischen Monatsheften“ 1880 näher beschrieben. Der Wein aus diesen Äpfeln erinnerte „in Farbe, Geschmack und Feuer an den aus den Rieslingtrauben gewonnenen Traubenwein“, weshalb „Garteninspektor Schüle in Hohenheim“ der Sorte ihren Namen gab.
Streuobstfachstelle sorgt für Erhalt der Sorten
Um diesen exzellenten „Weinapfel“ zu retten, haben die beiden erfahrenen Hobby-Pomologen auch Kontakt zu Jochen Berger von der Streuobstfachstelle der Stadt Stuttgart aufgenommen. „Hohenheim war vor 150 Jahren einer der Ausgangspunkte für Sortenzüchtungen, von hier aus wurden sie in ganz Süddeutschland verteilt“, erklärt er. „Heutzutage werden in den meisten Baumschulen nur etwa 25 Standardsorten angeboten. Lokale Sorten sind selten und oft nur als einzelne Bäume zu finden.“
Die Stadt Stuttgart unterstützt die Rettung dieser Sorten. „Die Zeit läuft uns davon, die alten Bäume sterben nach und nach ab“, sagt Berger. Um den Rieslingapfel für den Streuobstanbau zu erhalten, wurden Auftragsveredelungen mit den Ästen des alten Baumes durchgeführt. „Streuobstwiesen sind nicht nur ein prägendes Kulturgut, sondern auch einer der artenreichsten Lebensräume, die wir in Mitteleuropa haben.“
Genetische Vielfalt im Fokus der Hohenheimer Gärten
Die Bewahrung der genetischen Vielfalt ist auch eine Hauptaufgabe der Hohenheimer Gärten, betont Dr. Gliniars. „Die alten Sorten tragen ein genetisches Potenzial in sich, das nicht verloren gehen sollte. Die Erbinformationen könnten in der Züchtung interessant sein, um neue, resistente Sorten zu entwickeln.“
Für den Hohenheimer Rieslingapfel kam die Rettung gerade noch rechtzeitig. „Der alte Baum ist eine Ruine“, berichtet Brenkel, „obwohl er jedes Jahr noch einige Äpfel trägt.“ Doch mit den beiden Bäumen in Hohenheim und weiteren Exemplaren im Freilichtmuseum Beuren, Altbach und Wiesbaden ist die Sorte vorerst gerettet, sagen die Experten. Bald wird es auch einen Baum mehr geben: „Auf meiner Streuobstwiese wird demnächst ein Baum entfernt“, verrät Pacholet. „Dort pflanze ich dann einen Rieslingapfelbaum.“