In Jettingen bei Herrenberg artete im September 2015 eine Meinungsverschiedenheit aus: Es floss Blut und nun steht ein versuchter Totschlag im Raum vor dem Stuttgarter Landgericht.
Von Alexander Kappen
Stuttgart/Jettingen. Der Angeklagte zeigte sich in Saal sechs mit verschränkten Armen emotionslos. Am Mittwoch war der Prozessauftakt im Stuttgarter Landgericht im Verfahren um einen versuchten Totschlag. Drei Prozesstage sind angesetzt, neun Zeugen geladen.
Am ersten Tag traten Polizeibeamte in den Zeugenstand. Eine 49-jährige Kommissarin aus Leonberg brachte schließlich Licht ins Dunkel. Denn der Angeklagte, ein 77-jähriger Türke wollte von der Tat nichts wissen. Sein Verteidiger plädiert auf Freispruch.
Laut Anklageschrift der Staatsanwaltschaft soll der 77-jährige Angeklagte am 25. September 2015 in alkoholisiertem Zustand vor seinem Haus in Jettingen unvermittelt mit einem Messer auf den Oberkörper seines Nachbarn eingestochen haben. Diesem sei es jedoch gelungen, nach hinten auszuweichen und anschließend vor dem Angeklagten zu flüchten, weshalb er lediglich eine ca. 1,5 cm tiefe Stichwunde am rechten Brustbein erlitten habe.
Die Kommissarin erinnerte sich im Zeugenstand an den folgenschweren 25. September 2015: „Der Angeklagte wohnt in einem Obdachlosenheim. Er kennt den Geschädigten, der ebenfalls dort wohnt, bereits länger. Am Tattag war der Geschädigte dabei im nahe gelegenen Wertstoffhof Pfandflaschen abzugeben.
Auf dem Rückweg kam er in die Nähe des Obdachlosenheims und sah den Angeklagten bereits von weitem. Dieser war stark alkoholisiert und der Geschädigte kannte bereits die Wutausbrüche des Angeklagten im betrunkenen Zustand und wechselte deswegen die Straßenseite. Der 77-Jährige setzte daraufhin zur Verfolgung des geschädigten Mannes an. Er versetzte dem Opfer einen Stich mit einem Messer und warf ihm danach auch noch eine Säge hinterher. Die Waffen hatte er aus der Werkstatt des Heims.“
Der Geschädigte hatte als erster Zeuge diese Version ebenfalls so geschildert. Weitere Zeugen der Tat gibt es nicht.
Nur ein Bewohner hatte den Streit mit angesehen, aber der wollte sich dann doch an nichts mehr erinnern. „Er wolle damit nichts zu tun haben und hätte auch nichts genaues gesehen“, erinnerte sich die Kommissarin. Es gebe in dem Obdachlosenheim öfters Polizei-Einsätze, meistens wegen Lärmbeschwerden. Die Bewohner seien deshalb gegenüber der Polizei äußerst kritisch eingestellt, so die Beamtin.
Zwei Messer im Zimmer des Angeklagten gefunden
Man habe bei der Durchsuchung zwei Messer im Zimmer des 77-Jährigen gefunden. Auch eine Säge sei in der Werkstatt gesichtet worden, so ein weiterer Zeuge, ebenfalls ein Kriminalkommissar.
Zudem sei der 77-Jährige kurz nach der Tat in der Arrestzelle „sturzbetrunken“ gewesen, sagte der Polizist im Zeugenstand. Er habe kaum stehen können und das Alkoholmessgerät für eine Bierflasche gehalten und habe daraus trinken wollen. Weiter geht es laut Prozessansetzung am 27. Januar um 9.15 Uhr. Mit einem Urteil ist am 1. Februar ebenfalls 9.15 Uhr zu rechnen.