Der Ruf von Katzen als Einzelgänger ist widerlegt. Die Verwechslung von individualistischen mit einzelgängerischen Eigenschaften mag zur Verfestigung des bis weit in die 1980er Jahre reichenden Vorurteils beigetragen haben. Tatsächlich weisen immer mehr neuere Studien darauf hin, dass es sich bei Katzen um hochgradig soziale Tiere handelt, die auch zu ihren Besitzern eine intensive Bindung eingehen können.
Katzen unterscheiden bei der Ansprache
Eine Koryphäe auf dem Gebiet zeitgenössischer Katzenforschung ist die promovierte französische Katzenspezialistin Charlotte de Mouzon. In einer Pariser Studie mit 16 Katzen fand sie heraus, dass die sanftmütigen Stubentiger genau unterscheiden können, ob ihre Menschen sich untereinander unterhalten oder ihre Worte an sie selbst richten. Sprechen ihre Bezugspersonen mit anderen Menschen, blieben die Katzen äußerlich ungerührt, während sie bei einer direkten Ansprache deutlich wahrnehmbar reagierten. In einer vorherigen japanischen Studie waren die Wissenschaftler zu ähnlichen Ergebnissen gekommen.
Katzen bevorzugen visuelle Signale
In diesem Jahr unternahm die Französin eine weitere Studie mit Vertretern unserer beliebtesten Haustiere. In dieser Untersuchung mit Katzen zweier Katzencafés interagierten die Wissenschaftler auf unterschiedliche Weise mit den Tieren. Dabei lockten sie die Samtpfoten visuell, indem sie ihre Hand nach ihnen ausstreckten, oder vokal durch Lockrufe.
Im Gegensatz zur anfänglichen Hypothese, dass Katzen stärker durch Lockrufe als durch körperliche Annäherungen reagierten, zeigte sich bei den Vierbeinern ein deutlich höheres Ansprechen auf visuelle Signale. Allerdings könnte nach Ansicht der Studienorganisatoren auch Inkongruenz eine Rolle bei den Ergebnissen gespielt haben, weil die Versuchspersonen bei ihren Lockrufen die Vorgabe hatten, die Katzen nicht anzuschauen, was für diese ungewohnt gewesen sein könnte.
Sicheres Bindungsverhalten: Katzen übertreffen Hunde
Was das Bindungsverhalten angeht, so war der Durchbruch schon 2019 geschafft, sodass die beiden aktuellen Studien der französischen Katzenforscherin Charlotte de Mouzon eher als Verfeinerungen aufgefasst werden könnten. 2019 war es Verhaltensforschern in einer Studie mit 79 Katzen in Oregon gelungen, bei Katzen ein Bindungsverhalten zu ihren Besitzern nachzuweisen, das in der Intensität dem eines kleinen Kindes zu seinen Eltern entspricht. Als nicht sichere Bindung wurden Situationen definiert, in denen Katzen nach Ankunft ihrer Halter entweder eine übertriebene Anhänglichkeit oder keine nennenswerten Reaktionen gezeigt hätten.
In dieser Studie wurden die Katzen einer ungewohnten Umgebung ausgesetzt, verweilten aber bei ihren menschlichen Bezugspersonen. Dabei blieben sie für zwei Minuten mit ihrem Haustier zusammen, um dieses dann für zwei Minuten zu verlassen. Bei rund 65 Prozent der Katzen zeigte sich nach der Rückkehr ihrer Besitzer eine „sichere Bindung“. So hätten die Tiere aufgehört, fortlaufend zu miauen, und deutlich weniger andere Stresssymptome gezeigt.
Stattdessen haben sie die Nähe ihrer Besitzer gesucht und sich wieder so sicher gefühlt, dass sie weiter den Raum erkunden konnten. Bemerkenswert war zugleich, dass erwachsene Katzen mit 65,8 Prozent dieses Bindungsverhalten beibehielten, denn dieser Wert war in der Studie nicht geringer als bei Kitten, die auf Werte von 64,3 Prozent kamen.
Diese Ergebnisse entsprechen der sicheren Bindung von kleinen Kindern zu ihren Eltern (65 Prozent) und liegen höher als bei Blindenhunden zu ihren Begleitpersonen (59 Prozent). Diese Werte wurden in vergleichbaren Untersuchungen zum sicheren Bindungsverhalten ermittelt.
Weitere Studien zum Bindungsverhalten von Katzen
Die Studie aus Oregon war ein wichtiger Meilenstein in der Verhaltensforschung von Katzen. Das lange Zeit gehegte Vorurteil von Katzen als launigen Einzelgängern, die in ihren Menschen nur wenig mehr als ihren Dosenöffner sehen und die stärker orts- als personengebunden seien, war allerdings schon zuvor ins Wanken geraten. Beispiele dafür sind eine italienische Studie, in der nachgewiesen wurde, dass Katzen sich in unsicheren Situationen an ihre Halter orientieren, sowie eine brasilianische Studie, die zeigte, dass Katzen, die alleingelassen werden, ihre Bezugspersonen vermissen.
Nachweis des Offensichtlichen
Katzen sind in puncto Beliebtheit auf dem Vormarsch und das Interesse an den sensiblen Tieren nimmt auch mit Blick auf die Verhaltensforschung zu. In immer mehr Studien beschäftigen sich Wissenschaftler mit unseren Stubentigern, die lange Zeit zugunsten der Verhaltensforschung von Hunden vernachlässigt wurden. Katzenbesitzer dürften dennoch eher ein Kopfschütteln dafür übrighaben, dass es wissenschaftliche Studien dafür bedarf, um das Vorurteil von Katzen als Einzelgänger zu erschüttern. Ihnen offenbart sich die Bindung und Liebe der Katzen schließlich jeden Tag.