Nach dem Amoklauf von Winnenden rekonstruierte die Polizei den genauen Tathergang.

Die polizeiliche Ermittlungen ergaben, dass der ehemalige Schüler gegen 09.30 Uhr die Realschule betrat und sich in das 1. Obergeschoss begab. Dort lief er zielgerichtet in zwei Klassenzimmer und einen Chemiesaal, zog seine mitgeführte Pistole, eine Beretta 9mm und schoss auf die anwesenden Schüler und Lehrerinnen. Hierbei wurden insgesamt sechs Schülerinnen, ein Schüler und eine Lehrerin tödlich verletzt.

Beamte des Polizeireviers Winnenden, die bereits drei Minuten später am Tatort waren, konnten vermutlich durch ihr schnelles Eingreifen den Amoklauf unterbrechen. Als der Schütze die Beamten wahrnahm, eröffnete er sofort das Feuer und schoss auch auf sie. Glücklicherweise wurde hierbei niemand verletzt. Auf seiner Flucht, allerdings noch auf dem Flur im Schulgebäude, erschoss er noch zwei weitere Lehrerinnen. Zwei schwerverletzte Schülerinnen verstarben noch auf dem Weg ins Krankenhaus. Bei seinem Amoklauf verletzte er noch weitere neun Kinder und eine Lehrerin, die sofort in Krankenhäuser gebracht wurden.

Aus dem Schulgebäude draußen, flüchtete der Schütze zu Fuß in Richtung Krankenhaus „Zentrum für Psychiatrie“ und erschoss in der dortigen Parkanlage einen 56-jährigen Mann. Anschließend traf er dann auf einen 41-jährigen Mann, der in seinem VW Sharan saß. Sofort kidnappte er den Autofahrer, setzte sich auf den Rücksitz, bedrohte ihn mit seiner Pistole und zwang ihn loszufahren.

Die Amokfahrt führte die beiden Männer von Winnenden auf die B14 über Waiblingen, durch Fellbach nach Stuttgart Bad Cannstatt. Anschließend fuhren sie auf der B14 durch den Heslacher Tunnel auf die A81 in Richtung Böblingen dann weiter in Richtung Tübingen. Von dort aus ging es auf die B 27 und im weiteren Verlauf auf die B 313 in Richtung Nürtingen. Kurz vor dem Wendlinger Kreuz zur Auffahrt A 8 lenkte die Geisel ihr Fahrzeug auf einen Grünstreifen, sprang aus dem Sharan und rannte auf einen stehenden Streifenwagen zu.

Daraufhin flüchtete der 17-Jährige auch aus dem Fahrzeug und begab sich zu Fuß in Richtung Industriegebiet Werth in Wendlingen. Über den Haupteingang betrat der Schütze nun ein Autohaus, bedrohte einen Verkäufer mit seiner Waffe und forderte die Herausgabe eines Autoschlüssels. In einem unbeobachteten Moment gelang es diesem Verkäufer zu fliehen.

Daraufhin schoss der 17-Jährige auf einen anderen Verkäufer und dessen Kunden. Nach bisherigen polizeilichen Erkenntnissen wurden die beiden Männer von insgesamt 13 Schüssen getroffen und dabei tödlich verletzt. Als der Schütze ein Magazin wechselte nutzen ein weiterer Verkäufer und ein Besucher die Gelegenheit und flohen über den Hinterausgang ins Freie.

Auch der 17-Jährige begab sich über den Haupteingang ins Freie und schoss auf ein vorbeifahrendes Fahrzeug. Als der Fahrer den Schlag an seinem Auto bemerkte, fuhr er sofort rückwärts aus dem Gefahrenbereich.

Als der Täter die eingetroffenen Polizeibeamten entdeckte, eröffnete er sofort das Feuer und schoss mehrmals auf die Beamten. Daraufhin gab ein Polizeibeamter insgesamt acht Schüsse in Richtung des Täters ab. Dabei wurde der Täter an beiden Beinen durch jeweils einen Schuss verletzt.

Im weiteren Verlauf begab sich der Schütze wieder in den Verkaufsraum des Autohauses und schoss insgesamt 12 Mal durch die Schaufensterscheibe auf eintreffende Beamte des Polizeireviers Nürtingen. Anschließend verließ der 17-Jährige über den Hinterausgang das Gebäude und lief über einen angrenzenden Firmenhof auf ein benachbartes Firmengelände.

Von dort aus schoss er auf ein vorbeifahrendes Zivilfahrzeug und verletzte eine Polizeibeamtin und ihren Kollegen schwer. Polizeiliche Ermittlungen ergaben, dass der Täter noch weitere Schüsse in Richtung benachbarte Gebäude und Personen abgab. Laut Zeugenaussagen haben diese beobachtet, wie der 17-Jährige ein Magazin mit Patronen befüllte und sich anschließend in den Kopf schoss. Kriminaltechnische Untersuchungen haben ergeben, dass der 17- Jährige an allen Tatorten insgesamt 112 Schüsse abgegeben hat.

Insgesamt wurden 15 Personen getötet. Von den Verletzten befinden sich noch drei Kinder und die beiden Polizeibeamten in Krankenhäusern, wobei bei keinem Patienten Lebensgefahr besteht.

Die Leichen aller Opfer aus Winnenden wurden nicht obduziert und sind zwischenzeitlich von der Staatsanwaltschaft Stuttgart freigegeben worden. Die Leiche des Tatverdächtigen wurde obduziert. Die beiden Opfer aus Wendlingen wurden nicht obduziert.

Zur Persönlichkeit des Täters wurde in der Pressekonferenz folgendes übermittelt:

Er wuchs in seinem Elternhaus in Weiler zum Stein im Rems-Murr-Kreis auf und hat eine drei Jahre jüngere Schwester. Er besuchte die Grundschule und schloss im vergangenen Jahr die Albertville-Realschule mit der Mittleren Reife ab. Er galt als mittelmäßiger Schüler. Nach der Realschule besuchte er ein Berufskolleg einer Privatschule. Mit seinem Vater sei er in letzter Zeit häufiger im Schützenverein gewesen und habe dort als Gastschütze Schießübungen gemacht. In seinem Zimmer wurde ein Computer mit dem Spiel „Counter Strike“, anderen gewaltverherrlichenden Spielen und pornografischen Dateien aufgefunden und sichergestellt. Was den Umgang mit Mädchen betraf, habe er eine lose und eher oberflächliche Freundschaft zu einem Mädchen aus der Nachbarschaft geführt.

Bei der Spurensicherung im elterlichen Haus des 17-Jährigen wurde auch der Musterungsbescheid vom vergangenen Jahr gefunden. Daraus ging hervor, dass er seit 2008 wegen Depressionen in ärztlicher Behandlung war. Weitere Ermittlungen haben ergeben, dass er zuerst stationär in einer psychiatrischen Klinik im Raum Heilbronn behandelt worden war und seine Therapie anschließend beim psychiatrischen Krankenhaus in Winnenden ambulant fortsetzen sollte, dies aber offenbar abgebrochen hat. Er ist polizeilich noch nicht in Erscheinung getreten.

Hinsichtlich der Ermittlungen gegen den Vater wurde durch die Staatsanwaltschaft bekannt gegeben, dass er für den Besitz aller 15 Schusswaffen die erforderlichen Erlaubnisse hat. Inwieweit er ausreichend Vorsorge gegen den Zugriff Unberechtigter getroffen hat, wird noch zu ermitteln sein. Beide Eltern wurden bislang nur als Zeugen und nicht als Tatverdächtige vernommen.

Zur eventuellen Vorhersehbarkeit beziehungsweise Ankündigung der Tat wurde bei der heutigen Pressekonferenz bekannt gegeben:

Am Mittwochabend, also lange nach der Tat, hat sich der Vater eines 17-Jährigen aus Bayern gemeldet und über einen Internetchat seines Sohnes berichtet, den dieser am frühen Mittwochmorgen geführt habe. Demnach war dort gegen 2.45 Uhr ein Eintrag mit Bezug zu der Winnender Tat eingestellt worden.

Ein Auszug aus diesem Chat mit dem Wortlaut des Eintrages ist bekanntgegeben worden und in der Anlage beigefügt.

Leider hat der 17-jährige Junge aus Bayern den Eintrag zunächst nicht ernst genommen und sich erst am Mittwochabend, nachdem die Tat in den Medien verbreitet worden war, seinem Vater offenbart.

(pol / dm)

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